Backlinse trifft Geli von den Hochzeitsfotografen
Es muss 2010 oder 2011 gewesen sein als ich Geli & Artur das 1. Mal auf einer Hochzeitsmesse getroffen habe. Beide waren Anfang zwanzig, unfassbar jung, wahnsinnig ineinander verliebt (heute noch immer:-)) und voller Elan die dt. Hochzeitsbranche mit ihrer Fotografie (positiv) aufzumischen.
In den folgenden Jahren nach unserer 1. Begegnung haben wir nicht nur die ersten Bridal Partys in Deutschland gemeinsam veranstaltet, wunderschöne Style Shootings umgesetzt, hat die ganze Familie Huttenlocher-Pfeiffer mich bei meiner 1. Pop Up Bakery unterstützt, sondern auch einige großartige gemeinsame Hochzeitspaare betreut.
Geli & Artur hatten sich über die Zeit als „Die Hochzeitsfotografen“ mit Fotografie & Film einen Platz unter den dt. Topfotografen erarbeitet und eigentlich hätte es nicht besser für die beiden laufen können….
Es gibt so Situationen, die vergisst man nie mehr. Ich stand in meiner Backstube mitten in den Vorbereitungen für eine Hochzeitstorte. Plötzlich rief mich Nelly an (die Mutter von Geli), Geli sei mit Verdacht auf einen Hirntumor im Krankenhaus…
Ab diesem Moment stand ich komplett neben mir. Nichts habe ich mir mehr gewünscht, als dass diese „Geschichte“ ein gutes Ende nimmt!
Siehe da es gibt sie die großen Wunder!!! Wenn das Wort „inspirierend“ mittlerweile etwas ausgelutscht ist, doch so wie die beiden mit ihrer Familie Gelis Erkrankung meistern, wie sie damit umgehen ist für mich eine Inspiration.
Es ist sogar mehr als das, es berührt mich sehr. Denn auch ohne solch eine Diagnose ist es genau das, was ich täglich versuche, dass Glück in den kleinen Dingen des Alltags zu finden!
Anlass genug, um mit Geli ein sehr persönliches Interview zu führen.
Dir lieber Backlinse-Fan wünsche ich sehr viel Freude & Inspiration beim Lesen!
Liebe Geli,
wenn man deinen/euren Lebensweg der letzten 7 Jahre anschaut, dann sieht man dort nicht nur deine überstandene Hirntumorerkrankung einschließlich OP und Chemo, einen Hundewelpen, eine globale Pandemie, berufliche und private Umzüge, sondern noch eine Schwangerschaft und die Geburt eurer kleinen Tochter Lotta.
Was für ein wilder Ritt das Leben hat dich/euch ganz schön herausgefordert!
Wir kennen uns bereits richtig lange und obwohl wir uns selten treffen, konnte ich beobachten, wie sich deine Sicht auf das Leben und auch deine Prioritäten geändert haben.
Magst du berichten, ob das ein Prozess gewesen ist oder dir direkt nach dem Erhalten der Diagnose klar war, jetzt möchtest du deinem Sein eine neue Richtung geben.
Inwieweit spielt darin eine Rolle, dass du entgegen jedem medizinischen Rat trotzdem Mutter geworden bist?
Oh ja, die letzten Jahre waren wirklich extrem verrückt und wo du das hier so aufgelistet hast, ist mir noch mal durch den Kopf gegangen:
Wow- krass!!!
Definitiv ist alles ein Prozess gewesen, nach der Diagnose war mein einziger Gedanke: „Ich will, dass alles wieder so ist wie vorher“ und der Gedanke daran, was ich noch alles vorhabe in meinem Leben!
Meine Prioritäten haben sich schlagartig verschoben, ganz zwangsweise, man schaltet in den „Überlebensmodus“ und dabei ist alles andere erst mal nebensächlich.
Der Fokus war nicht mehr zu 150 % auf meinem Job wie bisher. Ich habe schon vorher mein/unser Leben sehr wertgeschätzt und mir waren die gemeinsamen Erlebnisse und Reisen, die wir bisher zusammen gemacht hatten, schon immer das Wichtigste. Aber die Sehnsucht, noch unendlich viele dieser Momente zu planen und zu erleben, ist danach um ein Vielfaches größer geworden!
Unser Hundewelpe Bonny kam wenige Tage vor der Diagnose zu uns nach Hause – was für Artur natürlich extrem stressig war mit Pendeln zwischen Krankenhaus und zuhause – aber Bonny war auch unser „Therapiehund“ und hat uns unfassbar gutgetan in dieser Zeit.
Ich hatte das Glück, eine sehr gut verlaufende OP mit anschließender Bestrahlung und Chemo zu haben, die ich so gut vertragen habe, dass ich das komplette Jahr fast vollständig normal weiterarbeiten konnte. Das hat mir die entsprechende Motivation gegeben, schnell kam der Gedanke, dass jetzt alles wieder so wird wie vorher.
Wir haben uns im selben Jahr einen großen Traum erfüllt und sind nach Las Vegas geflogen, um zu zweit noch mal zu heiraten. In diesem Jahr war bei mir dann zum ersten Mal nach über 12 Jahren Selbstständigkeit die Luft raus, etwas, das ich vorher so nicht kannte. Ende des Jahres hatte mich die komplette Last der Diagnose eingeholt.
Ich war von vielem Oberflächlichen in der Hochzeitswelt genervt davon aus welchen Dingen Leute Probleme machen usw. Da habe ich langsam angefangen, mich mehr zurückzuziehen und beruflich versucht, mehr Dinge zu machen die mir Spaß machen. Auf der anderen Seite ist mir so stark bewusst geworden, was für einen unglaublich wertvollen Job ich habe und warum ich die Fotografie so sehr liebe!
Ich habe mehr und mehr private Momente für uns festhalten wollen, die kleinen Dinge im Alltag, die wir lieben. Für mich war es noch mehr eine Herzensangelegenheit für ein Paar, so besondere Momente ihrer Hochzeit für die Ewigkeit festzuhalten – weil ich selbst weiß, dass das Leben nicht nur schöne Tage bereithält und man sich dann freut, wenn man Bilder hat von den schönen Zeiten!
Unsere Tochter Lotta kam 2021 als komplett ungeplantes Glücksgeschenk in unser Leben. Da mir nach meiner Diagnose von einer Schwangerschaft abgeraten wurde, hatten wir uns entschieden, dass wir auf Kinder verzichten werden, was natürlich auch immer wieder ein sehr emotionales Thema war. Durch die Unsicherheit, die man mit der Diagnose Hirntumor hat, schien es mir aber trotz aller positiver Gedanken die richtige Entscheidung zu sein.
Umso überraschter – und auch ängstlicher – waren wir, als wir im Herbst 2020 einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielten! Meine Chemo war zu diesem Zeitpunkt ein knappes Jahr abgeschlossen, was mich erst mal in Panik versetzt hat. Da ich aber davon überzeugt bin, dass nichts ohne Grund passiert, war ich innerlich trotzdem davon überzeugt, dass unser Kind ein Geschenk des Schicksals ist. Es gesund sein wird, dass es ein Zeichen ist, das ich noch lange auf dieser Welt gebraucht werde.
Backlinse trifft Geli von den Hochzeitsfotografen
Es geht dir sehr gut und du bist gesund. Dennoch giltst du niemals als 100 % geheilt, sondern du lebst mit der Diagnose, dass dein Hirntumor jederzeit zurückkehren könnte.
Ganz sicher gibt es auch Momente, wo dir diese Möglichkeit große Angst macht? Dennoch habe ich das Gefühl, die meiste Zeit schaffst du es sehr gut, dem Angstgefühl & den Sorgen den Mittelfinger zu zeigen. Jeden Tag eures Alltags zu genießen, sogar regelrecht die kleinsten Dinge zu zelebrieren. Wie gelingt dir das und was ist dir wichtig im Leben?
Mit der Zeit habe ich gelernt damit zu leben, mal mehr mal weniger gut. In der Regel würde ich sagen „verschwende“ ich keine Gedanken damit, denke nicht jeden Tag darüber, dass mein Leben sich wieder schlagartig ändern könnte.
Das Ausblenden hat bei mir bisher gut funktioniert und meine Ängste werden immer erst getriggert, wenn wieder ein Kontroll-MRT ansteht – also etwa alle 4 Monate.
Vor allem seit meine Tochter auf der Welt ist, hat sich mein Fokus nochmals mehr auf meine Familie verschoben – es gibt für mich nichts Wichtigeres und Wertvolleres als Zeit mit Artur, Lotta und Bonny!
Man hat eine andere Wertschätzung für sein Leben. Egal ob wir Stockbrot überm Feuer im Garten machen oder mit unserem Oldtimer Wohnmobil „Berta“ wieder ein neues Fleckchen Erde erkunden. Nach meiner Diagnose habe ich mir eine „Lebens-Bucket-List“ erstellt und ein paar Dinge davon sind schon abgehakt.
Generell macht mich das Reisen (und auch bereits das Pläne schmieden für eine Reise) am glücklichsten! Auch wenn mein Leben nie wieder so unbeschwert sein wird wie vor 2018 – ist es mir wichtig, jeden Moment zu genießen und regelmäßig selbst
dafür zu sorgen, sich auch kleine Highlights im Alltag zu erschaffen, auf die ich mich freue. An die man gerne zurückdenkt – z. B. zusammen mit dem Fahrrad loszufahren, ein Picknick auf unserer Lieblingswiese oder im
Wald zu machen. Mit Freunden Marshmallows im Garten zu grillen, einen Geburtstag groß und ausgelassen zu feiern, jeden Anlass in meinem Leben zu zelebrieren.
Backlinse trifft Geli von den Hochzeitsfotografen
Deinen Fotografiestil zeichnet dein Auge für Details aus, du bist eine Ästhetin durch und durch.
Inwieweit hat sich dein Blick durch die Kamera durch deine Krankheit verändert und auch deine Art zu fotografieren?
Gibt es Bilder & Momente, die für die Fotografin Geli heute eine größere Relevanz haben als noch vor deiner Erkrankung?
Danke von Herzen für deine tollen Worte, tatsächlich lerne ich vor allem momentan mehr und mehr auf das zu hören, wofür mein Herz schlägt, auch im beruflichen Leben!
Was sich durch die Diagnose vor allem geändert hat, war meine Sicht auf die Ehe – ich hätte diese Zeit niemals so gut überstanden ohne Artur. Er war in jedem schlimmen Moment an meiner Seite, hat mir die Haare abrasiert, mich zu jedem Arztbesuch begleitet, zu jedem MRT nach Heidelberg gefahren und jeden Tag dafür gesorgt, dass es mir gut geht. Ich habe selbst erfahren, was es heißt, wenn man jemanden hat, der für einen da ist, trotz Krankheit und in der schlimmsten Phasen seines Lebens. Diese Zeit hat uns zusammengeschweißt wie nichts zuvor.
Wir beide haben daher mit der Zeit gemerkt, dass es die Oberflächlichkeit ist, die leider oft bei Hochzeiten vorrangig ist. Wenn es nur noch darum geht, eine Hochzeit noch pompöser, ausgefallener aufzuziehen und das Wesentliche aus den Augen verloren geht – das Versprechen, das sich zwei Menschen an diesem Tag geben. Leider erleben wir es häufig, dass der Wert einer Ehe nicht so wirklich geschätzt wird oder bei den kleinsten Problemen alles über Board weggeworfen wird.
Ich bin emotionaler als früher, wenn ich bei einem Paar spüre, dass es wirklich eine tiefe und echte Verbindung hat. Ich heule bei freien Trauungen mehr als früher. Für mich sind die einmaligen und emotionalen Momente einer Hochzeit mittlerweile wichtiger als die noch so schönste Dekoration – auch wenn ich nach wie vor tolle Blumen und wunderschöne Deko liebe und mein Herz aufgeht, wenn ich so fantastische Konzepte fotografieren darf, die unsere Paare und die Weddingplaner umsetzen!
Außerdem plane ich nach wie vor sehr gerne kreative Projekte, da einfach mein Herz aufgeht, wenn ich schöne Dinge mit meiner Kamera festhalten kann.
Auf eurem Instagram Kanal The Adventurers nehmt ihr eure Follower häufig mit auf Reisen. Oft seid ihr als Familie mit „Berta“ unterwegs. Magst du meinen Lesern erzählen, wer das ist und was du an dieser Art zu reisen am liebsten magst? Was bedeutet das Reisen für dich und deine Familie?
Die Reise Fotografie ist mein allergrößtes Hobby und daraus ist auch dieser Account entstanden, auf dem ich unsere Reisebilder teile und auf unseren Reisen mitnehme. Einer unserer größten Träume war seit unserer langen Campingreise durch die USA 2015 ein eigenes Wohnmobil. Dieser Wunsch stand ebenfalls auf meiner Bucketlist, den wir uns 2023 dann nach langer Suche erfüllt haben, mit einem Oldtimer Wohnmobil (ein Mercedes Benz von 1979) unsere alte Lady haben wir Berta getauft. Wir haben sie bereits sehr umfangreich und liebevoll umgebaut und lieben es weiterhin daran herumzubasteln. Vor allem in unserem Zuhause auf vier Rädern zu reisen!
Was wir am meisten daran lieben, dass wir theoretisch die ganze Welt bereisen könnten und unsere Bonny überallhin mitnehmen können, dass wir immer alles dabeihaben, was wir brauchen, mitten in der Natur einschlafen und aufwachen. Die schönsten Reise Erinnerungen sind für mich immer mit dem Campen verbunden. Die Nähe zur Natur, die Erlebnisse, die wir dabei machen, alles reduziert auf ein Minimum und doch das Wichtigste. Unserem Kind die Welt auf diese Weise zu zeigen, die Nähe zur Natur, Essen am Feuer und Duschen unter freiem Himmel.
Mein größter Traum ist es, für einige Monate in unserem Wohnmobil zu reisen – unabhängig vom Beruf – oder noch besser Geld beim Reisen zu verdienen, um sich erlauben zu können, viel mehr unterwegs zu sein.
Wir alle struggeln uns mal mehr oder weniger durchs Leben mit großen und kleinen Problemen. Ich habe leider auch die Tendenz dazu mich manchmal in Kleinigkeiten furchtbar reinzusteigern. Etwas, das völlig unnötig ist, nur Energie verbraucht und oft an dem Problem gar nichts ändert. Hast du einen Leitspruch oder eine Message, die du uns mit auf den Weg geben kannst, wenn man sich im kleinklein verliert, anstatt sich um die wichtigen Dinge im Leben zu kümmern?
Das ist völlig normal und auch mir geht es sehr oft so im Alltag! Da vergesse ich einfach, wie glücklich ich mich schätzen kann und ärgere mich unnötig über Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich versuche mich regelmäßig selbst daran zu erinnern, dass die Gesundheit das Wichtigste und Wertvollste auf der Welt ist. Das materielle Dinge und Geld nicht alles sind.
In der Selbstständigkeit drehen sich die Gedanken leider zwangsweise immer wieder viel ums Geld – schließlich müssen wir unser Geld verdienen, genug Aufträge bekommen usw. und doch am Ende ist es eben nicht alles. Wenn ich könnte, würde ich alles Geld nur ins Reisen stecken – weil es für mich nichts Wertvolleres gibt, als Erinnerungen zu sammeln und Neues zu entdecken und erleben!
„All we have is now!“
Die beste Zeit ist jetzt.
Heike